Samstag, 26. Oktober 2013

Georg Büchner zum 200. Geburtstag

Mit großem Vergnügen bringe ich heute eine Würdigung des Darmstädters Büchner aus der Feder des Darmstädters Wedekind. Warum darf ein Informatiker nicht eines Schriftstellers gedenken, war meine Antwort, als gefragt wurde, ob das etwas für diesen Blog sei.

Georg Büchner steht für den Vormärz. Das ist die Periode von 1830 bis 1848. In den Nachwehen der großen Pariser Revolution von 1789 und der Niederlage Napoléons kam es dort zur Juli-Revolution von 1830. Sie fand ihren Widerhall im Hambacher Fest von 1832. Von dort führte der Weg zur Frankfurter Paulskirche in 1848.

Außer Büchner fallen mir zwei weitere Literaten ein, wenn vom Vormärz die Rede ist. Der Düsseldorfer Heinrich Heine (1797-1856) hatte seinen Wohnsitz im Jahre 1831 nach Paris verlegt und sollte nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Der Frankfurter Ludwig Börne (1786-1837) lebte inzwischen ebenfalls in Paris, kam aber als Ehrengast nach Hambach. Büchner studierte damals noch in Straßburg, wo die vor den Russen und Preußen geflohenen polnischen Freiheitskämpfer gefeiert wurden.

Die badischen Revolutionäre Friedrich Hecker und Gustav Struve traten erst 1848 in Kandern und Rastatt auf den Plan, ehe sie sich nach Amerika in Sicherheit brachten. Im deutschen Geschichtsunterricht mussten alle diese Namen für zwei Generationen von Schülern in der Versenkung verschwinden. Zunächst bekam die Linie, die von Bismarck über Wilhelm II zu Hitler führte, den Vorzug, mit der Weimarer Episode dazwischen.

Ich wünsche meinen Lesern viel Freude an Wedekinds Büchner. Derweil kämpfe ich mich durch ‚Dantons Tod‘ und den ‚Woyzeck‘.

Nachtrag am 1.11.2013:

Durch Wedekinds Beitrag neugierig gemacht, lud ich mir George Büchner‘s Gesammelte Werke auf mein iPad. Ursprünglich wollte ich nur schnuppern. Ich kannte bisher nur einige Titel wie ‚Dantons Tod‘ und ‚Woyzeck‘ dem Namen nach. Nach etwa 400 Seiten kenne ich jetzt das ganze Werk des Autors, einschließlich seiner Schüleraufsätze und seines hinterlassenen Briefwechsels mit seiner Familie, seiner Verlobten und seinen Freunden.

Nur so viel: Ich bin sehr beeindruckt von Büchners Persönlichkeit und Werk. Er war ein zutiefst politischer Mensch. Er erlebte und erlitt den mühseligen Prozess der misslungenen Demokratisierung unseres Landes. Im Grunde floh er resignierend in die Wissenschaft, in seinem Falle, die Medizin. Zwei Zitate aus seinen Briefen sollen dies beleuchten.

Nur das notwendige Bedürfnis der großen Massen kann Umänderungen herbeiführen. Alles Bewegen und Schreien Einzelner ist Torenwerk. (Brief an Eltern aus Straßburg vom Juni 1833)

Der Einzelne ist nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. (Brief an Wilhelmine Jaeglé, seine Verlobte, vom Januar 1834)

Obwohl die Darmstädter ihn mit Recht feiern, war Hessen nicht der Ort, wo er sich wohl fühlte. Ich fand ein Zitat, das meinem Kollegen Wedekind etwas weniger gefallen wird.

Es ist unmöglich von, noch in Darmstadt etwas Vernünftiges zu schreiben. (Brief an Edouard Reuss vom 20.8.1832)

Das war so vor fast 200 Jahren. Das Elsass und die Schweiz, Straßburg und sogar Zürich gefielen ihm besser. In Zürich fiel ihm auf, dass man nicht sehr froh war, dass hier so viele deutsche Möchtegern-Revolutionäre Zuflucht suchten. Straßburg war wesentlich großzügiger.

Eine literarische Bewertung des Oeuvres traute sich Hartmut Wedekind als Laie nicht zu. Ich tue es trotzdem mit dem sicheren Gefühl, danebenzugreifen. Ich empfand jedes Werk inhaltlich und sprachlich als Unikat. Hier meine Assoziationen:
  • Dantons Tod: Fundamentalrealismus, in der Sprache 'extra dry'
  • Lenz: Wahnsinn im Gebirge, von innen erlebt
  • Leonce und Lena: fast eine Shakespeare-Komödie, ohne Elfen
  • Woyzeck: antimilitaristisches Eifersuchtsdrama

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